Wieso soll ich jeden Tag meditieren und Achtsamkeit praktizieren? Was bringt mir die Ruhe? Weshalb ständig still stehen, wenn alles um mich so schnell dreht?
Ich könnte etwas verpassen, nicht schnell genug sein, nicht mithalten und das Wesentliche aus den Augen verlieren…
Ich bin früher davon ausgegangen, dass still sein nur dazu da ist, um sich auszuruhen, um den Körper eine Pause zu gönnen und um dem Verstand Zeit zu geben, Dinge zu verarbeiten. Wozu sollte sonst Ruhe gut sein? Schliesslich ist das Leben zu kurz, um nichts zu tun.
So habe ich die meiste Zeit meines Lebens möglichst viel getan. Nicht nur um zu leisten, obwohl das ein wichtiges Thema war. Auch um zu erfahren, um auszuprobieren, um die Lebenszeit zu nutzen, um mich selbst und das Leben zu spüren.
Damals wusste ich nicht, wie wesentlich regelmässige Momente der Stille für Lebensglück sind.
Fast jeder Tag war mit Tätigkeiten verplant, wodurch die Stille keinen Raum in meinem Leben hatte. Die Resultate aus meinen Aktivitäten waren anschaulich und haben meine Mitmenschen beeindruckt. Doch irgendetwas hat immer gefehlt. Ich war nicht ganz zufrieden oder erfüllt. Nicht zufrieden mit dem Resultat, nicht zufrieden mit meiner Leistung, nicht zufrieden mit dem Weg. Ich dachte das wäre so, weil ich zu selbstkritisch war. Das stimmte auch, ich war definitiv zu streng mit mir und darin bin ich auch heute noch gut. Aber da war noch etwas anderes, das mir gefehlt hat: Ich war nicht mich selbst, ich spürte meine innere Kraft nicht. Ich befand mich zwar in einer Spur, aber nicht in meiner.
Wir sind zu erstaunlich viel fähig und wenn wir unseren Willen auf ein Ziel ausrichten, können wir fast unendlich viel erreichen.
Unser Werk ist aber bedeutungslos, wenn es uns nicht gelingt, aus der inneren Kraft und aus einem Gefühl der Sinnhaftigkeit heraus zu erschaffen.
Das zu finden und zu tun, was uns Sinn gibt, ist deshalb ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erfüllung. Unseren Sinn oder das Innere Warum finden wir nur bei uns selbst. Es entfaltet sich aus der Stille heraus. Es ist die Stimme unserer Intuition, unseres authentischen Selbst, die Stimme unserer Einzigartigkeit, die das gewisse Etwas verkörpert und unser Tun zu sinnerfüllten Werken macht.
Auf diese Art und Weise wird unser Tun zur Gnade. Nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Mitmenschen.
Gönnen wir uns keine Stille, können wir die inneren Stimmen nicht hören und tun Dinge, die bedeutungslos sind. Selbst wenn unser Tun eine Befriedigung schenkt, wird sie nicht nachhaltig sein, sofern wir keinen Sinn darin sehen. Irgendwann gleiten wir in einen ungesunden Bereich ab. Beispiele dafür können sein:
Kompensationen
Ablenkung
Abstumpfung und Resignation
Die fehlende Aufmerksamkeit auf unseren inneren kreativen Prozess oder auf unsere Intuition, führt ausserdem auf Wege, die geprägt sind aus unserer Vergangenheit. Wieso? Weil unser Verstand nur Wege gehen und Möglichkeiten in Betracht ziehen kann, die wir bereits kennen.
Der Verstand besitzt keine schöpferische Kraft, er orientiert sich an Bekanntem.
Ist das schlecht? Nein. Für vieles in unserem Leben sind klare und vorgegebene Prozesse und Strukturen wertvoll. Ich brauche keine kreative Buchhaltung. Hier darf ich den nützlichsten Weg wählen. Will ich aber meine eigene Coachingmethode entwickeln, ein Haus bauen oder ein Kunstwerk kreieren, dann kann es nur erfüllend sein, wenn ich dies aus mir heraus erschaffe. Unser Lernen und Handeln wird so nicht mehr nur von Vergangenheitserfahrungen bestimmt, sondern erfolgen aus der schöpferischen Quelle, die dem Nullpunkt inhärent ist. Bekannte Methoden und Techniken rücken dann vermehrt in den Hintergrund und ein neuer Weg wird gebaut.
Natürlich ist es unbequemer einen neuen Weg zu gehen, als einen alten, gut betonierten Weg aus Vergangenheitserfahrungen zu nutzen. Letzterer wird uns aber fehlleiten, mindestens sofern wir ein auf Sinnerfüllung ausgerichtetes Resultat hervorbringen wollen. Durchaus können wir auf einem alten Weg starten und dann irgendwann einen neuen Weg einschlagen, sobald wir innere Sicherheit gewonnen habe und uns stark genug fühlen. Das ist oft sogar zu empfehlen. Den alten Weg nie zu verlassen, weil die Angst zu gross ist zu versagen, oder weil die eigene Kleinheit plagt, führt aber nicht zur Erfüllung.
Erfüllung finden wir, wenn wir regelmässig still werden, unserer inneren Stimme einen Entfaltungsraum gewähren und den Mut aufbringen dem Entfaltungsprozess zu folgen.
Das Verlassen der Komfortzone ist Teil dieses Prozesses.
Wie finden wir die Erfüllung?
Hier kommt die Stille zum Zug. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass jeder kreativen Idee, jedem Werk oder jeder Problemlösung eine Art Nullpunkt vorausgeht. Der Nullpunkt wird deshalb so genannt, weil das Hirn sich in einen Nichts-Zustand begibt. Dieser Zustand ist geprägt von absoluter Stille, Gedankenlosigkeit und Leere. Aus dieser Leere entstehen Impulse, die einzigartig und schöpferisch sind. Und nur wer diese Leere regelmässig zulässt, kann davon profitieren.
Wenn wir es also zulassen, wird aus diesem Nichts etwas entstehen, das automatisch unserem Lebenssinn entgegenwirkt, weil es einzigartig aus uns selbst heraus entkeimt. Sobald die Idee geboren, die Lösung gefunden oder die Erkenntnis angekommen ist, liegt es in unserem Verantwortungsbereich, diese Impulse und Ideen zu verwirklichen, aus der Komfortzone herauszutreten und mutig den eigenen Weg zu gehen.
Und wie können wir diese Stille in uns erzeugen und den Nullpunkt nutzen, um uns selbst zu entdecken?
Wir verbinden uns mit uns selbst und spüren den gegenwärtigen Moment. Was auch immer ist; Genuss, Problem, Aufgabe oder Unklarheit, wir sind präsent und nehmen wertungsfrei wahr. Die Verbindung zu uns selbst, zur tiefsten Quelle, geschieht automatisch, ohne unser Zutun. Wir brauchen uns nicht anzustrengen. Impulse, Ideen, Einsichten, sie alle kommen von alleine, ohne Anstrengung und ohne Konzept.
Wichtig ist, dass wir uns regelmässig stille und präsente Momente schenken. Kleine tägliche Einheiten sind dabei viel wichtiger, als einmal die Woche mehrere Stunden zu praktizieren. Keine Erwartungen an die Momente der Stille zu stellen, stellt eine weitere wichtige Voraussetzungen dar. Es kann niemand voraussagen, wann du deine gewünschten Erkenntnisse findest. Wenn du erwartungsfrei und nur dir zu liebe praktizierst, werden sie aber bestimmt kommen.
So kommst du der Stille näher:
Meditation: Bei der Meditation geht es insbesondere um die Praxis, den Verstand zu beruhigen, um innere Stille zu erreichen.
Achtsamkeit: Achtsamkeit im Alltag zu praktizieren bedeutet, sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und die Dinge wie sie sind wertungsfrei und akzeptierend wahr zu nehmen. Die Achtsamkeitspraxis kann durch den Fokus auf diverse Dinge unterstützt werden:
Atmung: Nimm dir immer wieder bewusst Zeit, deinen Atem wahr zu nehmen und zu spüren. Eine bewusste Atmung hilft, Körper und Verstand zu entspannen.
Natur: Verbringe Zeit in der Natur und konzentriere dich auf die Geräusche und die Schönheit um dich herum. Sei präsent.
Musik: Höre beruhigende Musik oder Klänge wie Naturgeräusche, um den Verstand zu beruhigen. Nimm die innere Stille wahr.
Technologie-Entzug: Reduziere die Zeit, die du vor dem Computer, Handy oder anderen technischen Geräten verbringst. Verbringe stattdessen Zeit mit guten Freunden und Menschen, die du liebst und mit denen du gerne präsent bist. In einer Unterhaltung da zu sein und dem Gesprächspartner volle Präsenz zu schenken, schult deine Fähigkeit still zu werden.
Bewegung: Yoga, Tai Chi oder Entspannungsübungen helfen Körper und Verstand zu entspannen und innere Stille zu erkennen.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Verstand nicht vollständig zum Schweigen gebracht werden kann. Bei den täglichen Übungen geht es auch darum, einen Zustand der Gelassenheit und des inneren Friedens zu erreichen. Es ist normal, dass Gedanken aufkommen, aber man kann mit einigen wirkungsvollen Techniken lernen, sie als vorübergehende Erscheinungen zu betrachten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf diese Weise rücken die sich ständig wiederholenden Gedanken immer mehr in den Hintergrund. Vergleichbar ist dieser Prozess mit einem Wolkenverhangenen Himmel. Man kann sich über die Wolken ärgern, weil sie die Sonne verdecken oder weil sie Regen bringen. Genauso gut kann man sie vorbei ziehen lassen, ohne sich darüber zu ärgern. Über den Wolken ruht sowieso immer der grenzenlose Himmel und die wärmende Sonne. Es braucht nur etwas Geduld und Beharrlichkeit, auf deren Widererscheinen zu warten. Und genau in der daraus entstehenden Akzeptanz und der Bereitschaft, voll und ganz im Jetzt zu sein, liegt das Potenzial der leeren Stille.
In diesem Sinne wünsche ich dir Geduld und Beharrlichkeit, damit sich dein Himmel lichtet und du Erfüllung in dein Leben holst.
Alles Liebe, Karin