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AutorenbildKarin Verena Schwab

Weshalb unsere Persönlichkeit nicht entwickelt, sondern entdeckt werden soll


Den Begriff Persönlichkeitsentwicklung empfand ich schon immer unpassend. Hinterfragt habe ich ihn allerdings lange Zeit nicht. Es gehörte zum guten Ton, die eigene Persönlichkeit auszubilden, um sich über die Selbsterkenntnis zu verändern oder eben zu entwickeln. Wenn wir unsere eigene Persönlichkeit entwickeln, so locken Versprechungen, dann erreichen wir eine höhere Lebensqualität, erleben mehr Freude, Frieden und Freiheit, schöpfen unser Potenzial aus und entwickeln uns im besten Fall zu starken Persönlichkeiten, die Erfolge in allen Lebensbereichen erlangen.


Wer will das nicht? Mit diesen Aussichten lohnte es sich auch für mich, meine Persönlichkeit zu entwickeln. Dennoch wusste ich instinktiv, dass ich etwas falsch verstanden hatte.


Wenn wir das Wort Persönlichkeitsentwicklung betrachten, dann impliziert es die Notwendigkeit der Umgestaltung unseres Selbst. Wir müssen uns ändern damit wir uns nicht länger selbst im Weg stehen und damit wir uns ein sinnstiftendes Leben verwirklichen können.


Was ist falsch daran?


Am Verlangen, in uns mehr Klarheit, Bewusstsein, Weisheit und Kraft zu entfalten, ist nichts einzuwenden. Die Herangehensweise wird jedoch oft missverstanden. Gehen wir davon aus, dass wir jemand werden müssen, der wir - noch - nicht sind, werden wir uns bemühen anders zu sein.


Anhand der Fabel vom Löwen, der in einer Schafsherde aufwächst und deshalb denkt er sei ein Schaf, wird die Problematik veranschaulicht. Der Löwe sieht sich also als Schaf, blökt und frisst Gras. Er bestaunt die Kraft, das Selbstbewusstsein und die Ausstrahlung der Löwen, weshalb in ihm der Wunsch entsteht, auch ein Löwe zu werden. Seine Schafsfreunde erkennen sein wahres Naturell genauso wenig wie er selbst. Sie raten ihm deshalb, sich anzustrengen und alle Methoden und Techniken auszuschöpfen, damit er sich zu einem Schafslöwen entwickeln kann - mehr liege sowieso nicht drin. Er strengt sich an, versucht sich zu verändern und tut alles, um nicht mehr als Schaf gesehen zu werden. Das Problem ist nur, dass er sich selbst immer noch als Schaf erkennt, versucht aber jemand anderes sein.

In der Fabel wird der Schafslöwe von einem anderen Löwen gezwungen in den Seespiegel zu schauen, damit er sich selbst erkennt. Alle vorangegangenen Versuche ihn von seiner wahren Herkunft zu überzeugen halfen nichts. Nur der Blick in den Spiegel verhalf unserem Schafslöwen zur Erkenntnis über sein wahres Selbst.


Es ist nicht möglich, etwas zu entwickeln, das wir schon sind. Wir können aber entdecken wer wir schon immer waren und dadurch uns selbst entfalten wie eine Blume, die ohne Mühen ihre Blüte öffnet. Unsere einzige Aufgabe dabei ist in den Spiegel zu schauen, unseren Geist zu beruhigen, damit er das Spiegelbild nicht verzerrt und dadurch ein klareres Bild von unserem wahren Selbst projiziert.


Unsere Persönlichkeit kann nicht entwickelt, aber entdeckt werden.


Das ist der Grund, weshalb ich den Begriff Persönlichkeitsentdeckung viel lieber mag, als Persönlichkeitsentwicklung. Wenn wir davon ausgehen, unsere Persönlichkeit zu entdecken, stellen wir fest, dass bereits alles vorhanden ist. Nur so werden wir mit Hilfe von Selbstliebe und -akzeptanz schrittweise erfahren, wer wir schon immer waren.


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