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AutorenbildKarin Verena Schwab

Frieden beginnt im Dialog: Ein Blick auf die Polarisierung der Meinungen

Ich war kürzlich an einem Vortrag von Dr. Daniele Ganser. Ja genau, der umstrittene Ganser mit seinen umstrittenen Positionen zum Ukraine Krieg, zur NATO und zu 9/11. Die einen werden mich jetzt bejubeln, die andern beschimpfen. Von: «Super, Ganser hat absolut recht» bis zu «diesem Verschwörungstheoretiker darf keine Bühne geboten werden» fliegen mir die Herzen und die Steine gleichzeitig zu. Aber lasst uns alles kurz neutral betrachten. Haben wir nicht alle ein Ziel? Und dieses Ziel heisst Wohlstand, Sicherheit und Frieden?

 

Mich beschäftigen schon seit längerem die Kriege, Unruhen und Krisen auf der Welt. Wie kann es sein, dass wir im 21. Jahrhundert, in einer Zeit, in der uns technologischer Fortschritt, Bildung und Kommunikation ungeahnte Möglichkeiten bieten, immer noch Kriege führen, Ressourcen plündern und uns gegenseitig bekämpfen? Ist es wirklich so schwer, Wohlstand, Sicherheit und Frieden für alle zu erreichen?

Dr. Daniele Ganser stellt genau diese Fragen – und zwar auf eine Weise, die provoziert, zum Nachdenken anregt und polarisiert. Egal, ob man seine Positionen teilt oder nicht, seine Kernbotschaft ist klar: Frieden ist kein Zustand, der von allein entsteht – er ist eine Entscheidung, die wir aktiv treffen müssen.

 

Im Vortrag befanden sich aber auch viele Zuschauer, die eine sehr polarisierte Sichtweise vertraten und Dr. Ganser in allem uneingeschränkt zustimmten. Es war spürbar, wie stark die Meinungen bereits vorgefertigt waren – keine Abweichung, kein Zweifel, nur Zustimmung. Genau wie es die Mehrheit der Bevölkerung ausserhalb des Vortrages oft umgekehrt tut, indem sie alles ablehnt, was nicht dem gängigen Narrativ entspricht. So wird man in der öffentlichen Debatte schnell als "Putinversteher" diffamiert, wenn man versucht die Hintergründe und Motive des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine zu verstehen. Das führt dazu, dass Menschen, die sich einfach nur Frieden wünschen und deshalb bereit sind, anderen Perspektiven zuzuhören, sich oft unverstanden und ausgegrenzt fühlen.

Doch am Vortragsabend habe ich ein umgekehrtes Phänomen beobachtet: Hier waren es einige Zuhörer, die alles verurteilten, was nicht dem Gedankengut von Dr. Ganser entsprach. Ein kritisches Wort zur NATO wurde begeistert aufgenommen, aber es kam der Verdacht auf, dass Hinweise auf Russlands Verantwortung im Krieg gegen die Ukraine unerwünscht wären.

Ob die Zuschauer im Vortrag oder im Mainstram stelle ich also dasselbe Verhalten fest: Statt Raum für differenzierte Diskussionen zu schaffen, werden abweichende Meinungen sofort abgelehnt.

 

Kann so Frieden geschaffen werden? Ganz sicher nicht. Und genau hier liegt das Problem. Wenn wir die Meinungen anderer, egal aus welcher Richtung sie kommen, nicht einmal anhören können, ohne sie reflexartig abzulehnen, bleiben wir in einer Spirale aus Polarisierung und gegenseitiger Verurteilung gefangen. Frieden kann nicht entstehen, wenn wir uns in unsere Lager zurückziehen und Mauern um unsere Überzeugungen bauen.

Der Wunsch nach Frieden ist universell, aber der Weg dorthin erfordert Offenheit, Mut und die Bereitschaft, auch unbequeme Meinungen zu hören. Anstatt uns ständig gegenseitig auszugrenzen – sei es in der öffentlichen Debatte oder in einer Gemeinschaft, die sich alternativen Sichtweisen verschrieben hat – sollten wir uns fragen: Haben wir verlernt, miteinander zu reden, und reden stattdessen nur noch über andere?

 

Das Problem ist nicht nur die Spaltung zwischen Mainstream und alternativen Meinungen, sondern die generelle Unfähigkeit, aufeinander zuzugehen. Wir müssen lernen, zuzuhören, selbst wenn wir nicht zustimmen. Denn echte Lösungen und echter Frieden entstehen nicht aus Einseitigkeit, sondern aus Dialog und Verständnis – auch für die, die anders denken.

 

Was ich aus dem Vortrag mitgenommen habe, ist vor allem eines: Wir alle tragen Verantwortung. Verantwortung dafür, wie wir mit Informationen umgehen, wie wir Meinungen bilden und wie wir mit anderen Menschen kommunizieren, selbst wenn wir nicht einer Meinung sind. Denn wenn wir schon im Kleinen nicht zuhören und respektieren können, wie sollen es dann Nationen im Grossen schaffen?

 

Ganser fordert uns heraus, genauer hinzusehen – auf die Geschichte, auf die Politik, auf die Medien. Er zeigt auf, dass vieles, was wir für selbstverständlich halten, hinterfragt werden sollte. Und auch wenn er dafür Kritik einsteckt, bleibt er bei seiner Botschaft: Frieden beginnt bei uns selbst.

 

Also frage ich mich – und euch: Können wir es uns wirklich leisten, immer nur die Schuld bei anderen zu suchen? Oder wäre es nicht an der Zeit, unseren eigenen Beitrag zu hinterfragen? Frieden ist nicht die Abwesenheit von Krieg, sondern die Präsenz von Menschlichkeit.

 

Vielleicht sollten wir weniger darüber streiten, ob jemand wie Ganser recht hat oder nicht, und stattdessen anfangen, uns auf das gemeinsame Ziel zu konzentrieren: Ein Leben ohne Angst, Hass und Gewalt. Denn am Ende sitzen wir alle im gleichen Boot – auf einem Planeten, der nicht unendlich belastbar ist.



Zu Dr. Daniele Ganser

Dr. Daniele Ganser, ein Schweizer Historiker und Publizist, ist eine umstrittene Figur, insbesondere aufgrund seiner Positionen zu Themen wie geopolitischen Konflikten, Medienkritik und Verschwörungstheorien. Seine Arbeit zur NATO und den Hintergründen von Terroranschlägen, darunter 9/11, hat sowohl Anerkennung als auch Kritik ausgelöst.

Während seine Anhänger ihn als mutigen Kritiker westlicher Machtstrukturen und Kriegspropaganda feiern, werfen Kritiker ihm vor, unsaubere wissenschaftliche Methoden und Nähe zu Verschwörungstheorien zu haben. Besonders in Bezug auf den Ukraine-Krieg wurde ihm vorgeworfen, prorussische Narrative zu verbreiten oder den Angriffskrieg nicht ausreichend zu verurteilen.

Ganser selbst betont, dass er Gewalt ablehnt und für Frieden eintritt, während seine Ansichten polarisiert wahrgenommen werden.

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